Ein Mikrokosmos der helfenden Hände

Das Antoniusheim – seit 88 Jahren Lebensraum für Menschen mit Behinderung

Das Antoniusheim Münchshöfen feiert: 88 Jahre sind vergangen, seitdem Pfarrer und Begründer Georg Stelzer den Pachtvertrag für ein Kurhotel unterschrieb, um dort einen Lebensraum für geistig behinderte und psychisch kranke Frauen zu schaffen. 88 Jahre mit bewegter Geschichte und 88 Jahre beispielhaften Engagements. 88 Jahre, die auch einen Aufbruch markieren – bis zum 100. Ehrentag will sich das Antoniusheim neu aufstellen.

Der hl. Antonius hat viele Aufgaben. Er gilt unter anderem als Schutzheiliger für die Frauen, ist Patron der Armen genauso wie der Sozialarbeiter und soll zu einem hohen Alter verhelfen. Es passt, dass vor 88 Jahren ausgerechnet am Ehrentag des hl. Antonius ein leer stehendes Kurhotel eine neue Bestimmung fand – und auch gleich einen neuen Namen: Die Geburtsstunde des Antoniusheimes in Münchshöfen, heute eine Einrichtung in der Trägerschaft der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V.

Ein Zuhause für ein ganzes Leben

Das Antoniusheim ist ein Zuhause für Erwachsene mit Hilfe- und Pflegebedarf – sei es aufgrund einer geistigen oder mehrfachen Behinderung, einer psychischen Beeinträchtigung oder auch Krankheitsbilder wie Demenz. Denn seit 2001 gibt es im Antoniusheim neben Wohnheim und Förderstätte auch einen Pflegebereich. „Ein junger Erwachsener, der mit 18 Jahren zu uns kommt, kann auch bleiben, wenn er im Alter pflegebedürftig wird“, erklärt Einrichtungsleiter Patrick Uhl. Ein Zuhause, ein Leben lang. „Bei meinen Besuchen im Antoniusheim spüre ich, mit welch hoher Motivation und Leidenschaft sich die Mitarbeiter für schwerstbehinderte Menschen engagieren. Für mich ist das eine hohe Professionalität in Verbindung mit menschlicher Zuwendung“, sagt KJF-Direktor Michael Eibl.

Dabei musste das Antoniusheim gleich zehn Jahre nach seiner Gründung das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte hautnah miterleben. 1941 wurden viele Bewohnerinnen im Zuge des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten abtransportiert und in der Nähe von Linz ermordet. „Die KJF hat vor wenigen Jahren an diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnert, mit Bewohnern und Mitarbeitern die Gedenkstätte Hartheim besucht und im Antoniusheim zwei Säulen, die gemeinsam erarbeitet wurden, aufgestellt. Unser Satz für das Gedenken hieß: „Ihr habt einen Platz in unserem Herzen“, so Eibl.

Erst nach Kriegsende kehrten Menschen mit Behinderung zurück nach Münchshöfen. Von 46 Bewohnern im Jahr 1946 stieg die Zahl bis Ende der 50er Jahre auf 183. Die Zeit der Baustellen beginnt. Ein neues Wohnheim entsteht, 1992 wird die Förderstätte eröffnet, 2001 der Wohnpflegeberich, 2006 übernimmt die KJF die Trägerschaft vom Bischöflichen Stuhl in Regensburg. Heute wohnen rund 100 Menschen im Antoniusheim.

Die 88-Jahrfeier ist ein Moment des Innehaltens. Viele Honoratioren, darunter Bezirkstags-Vizepräsident Franz Schedlbauer, die stellvertretende Landrätin Barbara Unger, Bürgermeister Ewald Seifert sowie Oberschneidings Pfarrer Dr. Peter Maier und der Bischöfliche Geistliche Rat Ludwig Bumes – ebenfalls 88 Jahre – würdigen die Verdienste der Einrichtung.

Für Uhl markiert der Festtag auf halbem Weg zwischen 75. und 100. Jubiläum aber auch einen Auftakt. „Dass wir das Pflegeheim neu bauen, ist bereits beschlossene Sache seitens der KJF“, sagt er. Denn das Antoniusheim ringe mit zahlreichen Auflagen, Brandschutz, dem Pflegewohn-Qualitätsgesetz oder den ganz grundsätzlichen Rahmenbedingungen. Vier Gruppen seien derzeit verteilt auf vier Etagen in zwei Gebäuden. Fällt jemand beim Betreuungspersonal krankheitsbedingt aus, könne man aktuell nicht ausreichend flexibel reagieren. Ob auch Wohngruppe und Förderstätte neugebaut werden, sei noch unklar. Ein Umbau zeichne sich aufgrund der vielen Vorgaben als kompliziert ab. Noch werde aber geprüft.

Ein Mikrokosmos der helfenden Hände

Dabei ist Uhl eines wichtig. Das Miteinander darf auf keinen Fall leiden. Er spricht von einem „guten Geist“, von einem Mikrokosmos, in dem jeder dem anderen die helfende Hand reicht. Nur in einer solchen Umgebung können Erfolgsgeschichten entstehen wie beispielsweise die einer früheren Reinigungskraft im Antoniusheim. Inspiriert durch den täglichen Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohner hat sie nach etlichen Jahren im alten Beruf eine Ausbildung zur Pflegefachkraft begonnen und steht nun kurz vor dem Abschluss.

Das Antoniusheim ist eine kleine heile Welt am Waldrand, Heil ja, abgeschottet nein. Erledigungen, Ausflüge, Feste und Veranstaltungen führen die Bewohnerinnen und Bewohner nach Oberschneiding oder holen diese zu sich nach Münchshöfen – zum Beispiel vergangenen Sonntag, beim großen Sommerfest und dem Tag der offenen Tür im Antoniusheim. Und auch „die Menschen noch mehr in die Orte rauszubringen, für mehr Teilhabe am Leben dort“ ist ein weiteres von Uhls großen Zielen. Eine zweite Wohngruppe in Straßkirchen, wo Alltag mit der Infrastruktur einer Kleinstadt möglich ist, ist schon in Planung.

Führ Uhl steht fest: „Bis zum 100. Geburtstag stellen wir uns neu auf!

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Gratulierten ganz besonders zum Jubiläum – Direktor der KJF der Diözese Regensburg e.V. Michael Eibl, stellvertretende Landrätin Barbara Unger, Bürgermeister Ewald Seifert, Bürgermeister Dr. Christian Hirtreiter, Bischöflich Geistlicher Rat Ludwig Bumes, Pfarrer Dr. Peter Maier sowie Bezirkstags-Vizepräsident Franz Schedlbauer (von links nach rechts)

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Für die herausragende fachliche Arbeit und den persönlichen Einsatz an 365 Tagen der rund 130 Mitarbeiter im Antoniusheim gratulierten Patrick Uhl und Direktor Michael Eibl stellvertretend Frau Doris Ostermeier, die bereits 44 Jahre im Hause tätig ist.

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 Ein besonderer Geburtstagsgruß erging auch an Herrn Heiser, der am Gründungstag des Antoniusheims Geburtstag hatte.

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 Rückblick: Die Theatergruppe des Antoniusheim stellte szenisch den Abtransport der Frauen nach Schloss Hartheim dar – ein Teil der Geschichte des Antoniusheim, der für beklemmende Stille im Festzelt sorgte.

 

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 Bürgermeister Ewald Seifert überbringt die herzlichsten Glückwünsche der Gemeinde und freut sich über die offizielle Bekanntgabe des Neubaus des Pflegeheims.

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 Das Antoniusheim heute kann auf ein großes Netzwerk in Gemeinde und Pfarrgemeinde zurückgreifen. Wertvolle Arbeit leistet auch der Besuchsdienst, der sich unermüdlich und ehrenamtlich im Antoniusheim engagiert.

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Ausblick: Wie soll unser künftiges Haus aussehen? Die Bewohner und Bewohnerinnen erarbeiteten verschiedene Vorschläge

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Der Festtag begann mit einem feierlichen Gottesdienst, der von Pfarrer Dr. Peter Maier und Bischöflich Geistlicher Rat Ludwig Bumes gemeinsam zelebrierten wurde.

Sprüche und Aussprüche:

Pfarrer Dr. Peter Maier:

Pfarrer Peter Maier würdigte in seiner Predigt die Erfolgsgeschichte des Antoniusheims: Jeder einzelne zählt, als Mensch und als Geschöpf Gottes. Und dass heute ein ganz besonderer Tag sei, könne man schon daran sehen, dass der Dankgottesdienst mit zwei Eingangsliedern begann. „Ein solches Privileg ist normalerweise dem Bischof im Dom vorbehalten!“

Anmerkung: Beim Dankgottesdienst in der hauseigenen Kapelle sangen der Mitarbeiterchor unter der Leitung von Patrick Uhl (ehemaliger Regensburger Domspatz) und der Bewohnerchor.

Michael Eibl, Direktor der KJF Regensburg:

„Der Mensch zuerst!“ Das könne Direktor Michael Eibl bei seinen Besuchen im Antoniusheim immer wieder spüren, sehen und feststellen. Er dankte der großen Antoniusheim-Familie, die eine herausragende Arbeit leistet, die jeden ansteckt, entzündet und begeistert.

Patrick Uhl, Einrichtungsleiter:

Zur Frage, warum die Feierlichkeiten genau nach 88 Jahre durchgeführt werden würde, konterte er, dass das Antoniusheim nicht bis 100 warten könne und heuer die WM schließlich auch ihren 88 Geburtstag feiert (fand zum ersten Mal 1930 in Uruguay statt). Und von einem Ehrengast angesprochen, dass man bei der Feier einer Schnapszahl auch einen Schnaps anbieten müsse, erwiderte er mit einem Augenzwinkern: “Wer uns kennt…“

Bürgermeister Ewald Seifert

Bürgermeister Ewald Seifert ist überaus erfreut über das klare Bekenntnis der KJF für den Standort Oberschneiding und freut sich zudem über die Feierlichkeiten zur 88 -Jahr Feier: „Schneiding ist a gmiatliche, a griabige Gemeinde. Mia feiern oft und gern und brauchan dafür ned amoi unbedingt an Grund“, so Seifert schmunzelnd. Die offizielle Bekanntgabe des Pflegeheimneubaus aber sei wahrlich ein ganz besonderer Grund zum Feiern.

Zu den Mitarbeitern des Antoniusheims sagte Seifert: „Wenn ein Mensch bei guter Gesundheit seinen 88. Geburtstag feiern kann, dann ist das ein Segen. Wenn in einem Heim Bewohner so gut betreut, unterstützt und gepflegt werden, soviel Zuneigung, Herzlichkeit und menschliche Wärme erfahren wie im Antoniusheim, dann ist das ebenfalls ein Segen. Und dieser Segen sind Sie liebe Mitarbeiter. Sie sind der gute Geist dieses Hauses. Vergelt`s Gott!“

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