Vergessen, aber nicht verschollen

Wertvolle Pietà kehrt nach 25 Jahren in den Landkreis zurück – Teil der Dauerausstellung

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Maria sitzt auf einem eckigen grünen Sockel, sie ist mit einem weiß-gold-rosefarbenen Schleier, einer roten Kleidung und einem faltenreichen, gold-blauen Umhang bekleidet. Auf ihrem Schoß liegt –fast waagrecht – ihr toter Sohn Jesus, mit goldenem Lendentuch umhüllt, ansonsten unbekleidet und mit sichtbarer Seitenwunde und Wundmalen an Händen und Füßen. Die Hände von Jesus sind über seinem Schoß übereinandergelegt, er trägt einen dunklen Bart und dunkles langes Haupthaar mit grüner gewundener Dornenkrone und hat die Augen geöffnet. Marias linke Hand liegt vor ihrer Brust, ihre rechte Hand stützt den Kopf ihres toten Sohnes, ihr Gesichtsausdruck ist in sich versunken.

Die Plastik aus Lindenholz stammt aus der Zeit um 1430 und stellt eine Beweinung Christi durch die Heilige Maria dar. Die Figur ist 63 Zentimeter groß. Auffällig sind die fast waagrechte Lage des toten Christus und die Schönheit des Vesperbildes. Beeindruckend ist die grenzenlose  Trauer, die in Marias Augen zu sehen ist.

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Es war ein Drama in fünf Akten – zumindest, wenn es nach dem Oberschneidinger Pfarrer Dr. Peter Maier geht. Dieser hatte sich für die Heimkehr der Niederschneidinger Pietà am Sonntag besondere Willkommensworte ausgedacht. Amüsant – und vermutlich reale Hintergründe treffend – unterhielt er mit einem selbstverfassten Theaterstück. Es begann vor 25 Jahren in einer Wohnstube in Niederschneiding und endete am vergangenen Sonntag, an dem Gottesmutter und Sohn in den Landkreis zu rückkehrten. Nun steht die Pietà sicher verwahrt in einer Vitrine im Kreismuseum auf dem Bogenberg.

Vergessen, aber nicht verschollen – 25 Jahre lang stand die wertvolle Pietà aus der Filialkirche Sankt Petrus in Niederschneiding in einer Regensburger Restaurierungswerkstatt. Vor einigen Jahren wurde die Figur von Kreisheimatpfleger Hans Neueder „wiederentdeckt“ und nun in den Landkreis zurückgeholt. Seit Sonntag ist sie sehenswerter Teil der Dauerausstellung im Kreismuseum. Nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sich Pfarrer Maier nach eigenen Drama Worten „selbst immer noch rumschlägt“ und wo sie später in der Pfarrkirche eine bleibende Unterkunft finden soll. In Pfarrer Maiers Drama ist es der Preis für die Restaurierung gewesen. Dieser habe sich derartig verteuert, dass die Pietà so lange in der Werkstatt des Restaurators stehen musste, bis sie in Vergessenheit geraten war. Die Preisexplosion von vier auf acht und von 16 auf 24 Mastochsen rechnete er in VW Käfer um. „Vier Mastochsen entsprechen etwa einem VW Käfer.“ Die Frage, ob es Mastochsen, D-Mark oder Euro waren und auch die exakte Höhe des Betrags wollte Restaurator Rudolf Rappenegger nicht beantworten. Sicher war er sich allerdings, dass mit dem Geld nicht einmal die Kosten der Restaurierung gedeckt wurden. „Immerhin wurden 400 Stunden daran gearbeitet.“ Schuld am langen Verweilen in seiner Werkstatt sei aber nicht der schwarze Ritter gewesen, den Pfarrer Maier heranstürmen ließ, sondern eher die Gewährleistung der Sicherheit. „Die Pietà ist so wertvoll, dass sie nicht ungesichert aufgestellt werden kann.“ Nicht übertrieben aber hat der Pfarrer mit dem weißen Ritter, der dafür sorgte, dass die Figur jetzt, nach 25 Jahren, im Kreismuseum einen Zwischenstopp einlegen kann.

Mit Rad nach Oberscheiding

Der weiße Ritter in Gestalt des Kreisheimatpflegers Hans Neueder erzählte, wie er auf die Pietà aufmerksam geworden war. Der Straubinger Heimatpfleger Alfons Huber habe ihn auf eine Geschichte von Karl Tyroller, veröffentlicht 1984 im Landkreisbuch, gestoßen. Tyroller habe die Figur als restaurierungsbedürftig beschrieben: „Diese ausgezeichnete Holzplastik bedarf dringend einer sachgemäßen Konservierung, wenn ein Substanzverlust vermieden werden soll.“ Daraufhin habe Neueder sich umgehend aufs Fahrrad – wenn auch nicht aufs Pferd – geschwungen und sei nach Oberschneiding gefahren. „Ich wollte wissen, was aus der Pietà geworden ist.“ Einem ersten Gespräch mit der Mesnerin folgte das, was Pfarrer Maier mit einem „Vor die Tat haben die Götter das Papier gesetzt“ beschrieb. Dies klang bei Neueder so: „Ein paar Namen in der Bürokratie sind mir jetzt als Bremser bekannt“.

Kirchenverwaltung zahlte

Neueder aber ließ nicht locker. Ob es eine Eingebung des Heiligen Geistes – gesteuert von Maria und Jesus – war, wie Pfarrer Maier dramatisch vermutete, oder das Engagement der Kreisheimatpfleger Hans Neueder und Dr. Johann Kirchinger sei dahingestellt. Fakt ist: Die Pietà stand nicht wie vermutet im Diözesanmuseum, sondern in der Werkstatt des Restaurators. Danach hat es noch etwas gedauert, bis ihre Sicherheit gewährleistet werden konnte. Da aber die Kirchenverwaltung Oberschneiding auch die Kosten für die Sicherheit übernommen hatte, konnte die Pietà heimkehren. Um den Standort Kreismuseum hatte sich Neueder bemüht. Später, wenn die Restaurierung der Oberschneidinger Kirche beendet ist, wird sie dorthin mit dem Sockel und der sie umgebenden Vitrine umziehen. Vorfreude somit beim Oberschneidinger Bürgermeister Ewald Seifert. Er lobte das engagierte Team und betonte, dass die Figur einen schönen Platz in der Pfarrkirche bekommen wird. Jedes Kunstwerk habe seine eigene Geschichte, sagte stellvertretender Landrat Franz-Xaver Eckl am Anfang. Damit bewies er fast hellseherische Fähigkeiten, konnte er doch zu diesem Zeitpunkt von Maiers Drama in fünf Akten nichts gewusst haben.

„Ich war von den Socken“

Als sie das Exponat das erste Mal gesehen hatte, sei sie regelrecht von den Socken gewesen, sagte Museumsleiterin Barbara Michal. Die Pietà passe inhaltlich hervorragend in das Museumskonzept der Dauerausstellung „Marienleben“, weshalb sie gern auf Neueders Vorschlag, sie vorerst im Museum unterzubringen, eingegangen war. So stolz wie Barbara Michal darauf war, diese beeindruckende Pietà im Museum zu haben, ebenso stolz war Restaurator Rudolf Rappenegger auf seine Arbeit. In welch schlechtem Zustand sich die Figur befunden hatte, als sie 1981 in die Werkstatt gekommen war, zeigte er anhand von alten schwarz-weiß-Fotografien. Während der Restaurierung habe er herausgefunden, dass die Farbfassung aus dem 19. Jahrhundert stammt. Darunterliegende Schichten könnten zwar teilweise freigelegt werden, „das kostet Sie aber noch mehrere Mastochsen“. Als die Pietà gebracht wurde, habe noch sein Vater die Werkstatt geleitet, erzählte Rappenegger. „Wenn ich meinem Vater jetzt sage, dass die Geschichte der Pietà ihren Abschluss gefunden hat, springt er vor Freude aus dem Bett.“ Allerdings frage er sich, ob die Figur, bevor er selbst in Rente gehe, tatsächlich in der Oberschneidinger Pfarrkirche sein wird.

Nun drei Pietàs

Anschließend hatten die Gäste Zeit, sich die Pietà in aller Ruhe anzusehen. Bevor sie sich dann gemeinsam mit Hans Neueder noch zu den beiden anderen mittelalterlichen Bogenberger Pietàs in der Wallfahrtskirche und der Sankt-Salvator-Kapelle machen konnten, informierte er sie noch genauer über die „Rückkehrerin“. Sie sei auf jeden Fall spätgotisch, eine Pietà im „weichen Stil“ und der „schönen Vesperbilder“. Das Kennzeichen sei die fast waagrechte Lage des toten Christus, Maria und Christus seien schön abgebildet. Im Unterschied dazu nannte Neueder die expressiv und stark leidenden Pietàdarstellungen des Hochmittelalters wie in der Straubinger Kirche Sankt Peter. Hier bilde der geschundene Christuskörper meist eine Diagonale. Gerne gratulierte Neueder Barbara Michal zu diesem tollen Exponat, dem Pfarrer, dass er die Pietà in absehbarer Zeit in seiner Kirche aufstellen kann und dem Restaurator Rupert Rappenegger mit einem Augenzwinkern, weil dieser in seiner Werkstatt nun wieder Platz für ein neues Exponat hat.

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Text: Uschi Ach – Straubinger Tagblatt
Fotos: Claudia Anzinger

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