Gedenkfeier mit Gottesdienst im Antoniusheim

„Ihr habt einen Platz in unserem Herzen”

Gedenkfeier mit Gottesdienst im Antoniusheim

Das Antoniusheim Münchshöfen gedachte den Bewohnerinnen, die der NS-Euthanasie zum Opfer fielen. Am 19. und 20. Mai 1941 wurden alle Bewohnerinnen des Antoniusheimes Münchshöfen – 186 Frauen – abgeholt und nach Regensburg und Mainkofen verlegt. Viele von ihnen ermordeten die Nationalsozialisten anschließend im Rahmen der T4-Aktion in der Euthanasieanstalt Schloss Hartheim bei Linz in Oberösterreich. Andere fielen dem bayerischen Hungererlass zum Opfer. Wenige nur überlebten.

Anläßlich der Deportation, die sich nun zum 70. Mal jährte, gedachte das Antoniusheim der Frauen mit einem Gottesdienst. Heinz-Günther Ernst, evangelischer Pfarrer aus Straubing und Bischöflich Geistl. Rat Franz Schmidt aus Reißing konzelebrierten den Gedenkgottesdienst in der Kirche des Antoniusheimes. Im Anschluß fand die Gedenkfeier im schattigen Garten des Antoniusheimes Münchshöfen bei herrlichstem Sommerwetter statt. Eingeleitet wurde die bewegende Veranstaltung mit einer Informationsstunde zum Umgang mit behinderten und psychisch erkrankten Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus. „Verbrechen an Menschen können wir nicht ungeschehen machen, wir können uns aber ihrer erinnern, sie aus der Vergessenheit holen und ihnen einen Platz in unseren Herzen geben”, beschrieb Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg, das mit der Gedenkfeier verbundene Anliegen. Die Veranstaltung wurde ausgezeichnet moderiert von Carl Prämaßing, freischaffender Journalist aus Regensburg. Zwischendurch spielte Vroni Holzmann auf ihrer Gitarre, begleitet von einer Musikgruppe.

Bereits im letzten Jahr hatte sich Gerhard Schill, Einrichtungsleiter des Antoniusheims, mit Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen mit der Tötungsaktion „Aktion T 4” auseinander gesetzt. Dieser „Vernichtung unwerten Lebens”, wie die Nationalsozialisten sie nannten, fielen über 100.000 Menschen mit Behinderung oder einer psychischen Erkrankung zum Opfer. Eine Führung in der Gedenkstätte Schloss Hartheim verdeutlichte das Ausmaß der Greueltaten. „Wir haben uns gefragt, warum Menschen so gemein sein können, andere zu töten. Es ist aber auch wichtig, darüber zu sprechen, damit so etwas nicht mehr passieren kann”, kamen Gabi Ammer, Hildegard Bachmaier und Anna Kellnberger – stellvertretend für alle Bewohner/innen – zu dem Schluß.

Bis vor kurzem wusste man im Antoniusheim nur wenig über die Zeit Anfang der 40er Jahre. Man könnte sagen, wie viele Menschen in der Münchshöfener Einrichtung lebten, wie sie hießen, woher sie kamen. Es gab kaum mehr Unterlagen, Akten, die Aufschluss hätten geben können. Bis Gerhard Schneider, stellvertretender Krankenhausdirektor des Bezirksklinikums Mainkofen, Kontakt zum Antoniusheim aufnahm. Seit 30 Jahren erforscht er in seiner freien Zeit das Schicksal von Menschen, die während des Nationalsozialismus in „Heil- und Pflegeanstalten” untergebracht waren und fast alle ihr Leben lassen mußten.

Anfang 2011 stieß Gerhard Schneider auf das Antoniusheim Münchshöfen und fand heraus, dass 116 der insgesamt 186 Bewohnerinnen am 20. Mai 1941 und eine „Nachzüglerin” am 28. Mai nach Mainkofen kamen. Von diesen 117 Frauen wurden 66 Patientinnen – verteilt auf zwei verschiedene Transporte am 27. Juni und 4. Juli – nach Hartheim gebracht. Für Mitte September waren die nächsten Patientinnen zum Transport vorgemerkt; das belegen sogenannte T4-Bögen, am 8. Juli in Mainkofen ausgestellt. Aufgrund der berühmt gewordenen Predigt von Bischof Graf von Galen jedoch wurde die T4-Aktion im August 1941 offiziell eingestellt.

Von 117 Frauen, die nach Mainkofen verlegt worden waren, haben 90 das Kriegsende nicht erlebt. Das Töten ging trotzdem weiter, mit anderen Methoden: Im November 1942 lud das Innenministerium in München die Anstaltsdirektoren zu einer Konferenz ein. Dort hat man andere Wege gesucht, wie man „unwertes Leben” vernichten könne. In Bayern kam man auf die makabere Idee der Hungerkost, eine kalorienarme Kost ohne Fleisch und Fett. Dabei sterben die Menschen an Unterernährung. Dieser „Hungererlass” ging auch an Mainkofen und wurde sofort ausgeführt. Das war die sogenannte 3B-Kost – von der Menge her reduziert, fleisch- und fettlos, so dass die Patienten innerhalb kurzer Zeit verhungert sind. Gerhard Schneider, der das Schicksal jeder einzelnen Patientin beleuchtet hat, fiel bei seinen Recherchen auf, wie viele ab Herbst 1942 starben. Das, so sagte er, deute darauf hin, dass diese Patientinnen vermutlich als Folge des Hungererlasses gestorben sind. „Von den 117 Frauen haben 90 das Kriegsende nicht erlebt. Sie wurden entweder nach Hartheim deportiert oder verstarben bei uns im Haus”.

Die Menschen, die heute im Antoniusheim leben und arbeiten, haben sich mit der Tötungsaktion der Nationalsozialisten – Aktion T4” genannt – auseinander gesetzt, die zum Ziel hatte, 70.000 Menschen mit Behinderungen zu vernichten. Mit Erzählungen und einem Film bereiteten sich Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das, was damals im Schloss Hartheim passiert ist, vor. Gemeinsam haben sie diesen Ort im letzten Jahr besucht. Eine anschauliche und einfühlsame Führung in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie verdeutlichte das Ausmaß der Greueltaten.

„Es ist uns ein großes Anliegen, den Frauen, die damals im Antoniusheim Münchshöfen lebten, zu gedenken und sie in Erinnerung zu behalten”. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben ihre Namen aufgeschrieben, mit ihrer persönlichen Handschrift, um sie aus der Vergessenheit zu holen. Auf diese Weise sollen sie wieder symbolisch einen Platz in der Hausgemeinschaft des Antoniusheims finden. Dies ist auch der Wunsch von Michael Eibl, Direktor der KJF und Abteilungsleiter Johannes Magin sowie Einrichtungsleiter Gerhard Schill.

Eine der Tafeln mit den ermordeten Heimbewohnerinnen, Heimleiter Gerhard Schill und Carl Prämaßing (von links)

Eine der Tafeln mit den ermordeten Heimbewohnerinnen, Heimleiter Gerhard Schill und Carl Prämaßing (von links)

Ein Teil der Ehrengäste

Ein Teil der Ehrengäste

Gedenkfeier im Garten des Antoniusheimes

Gedenkfeier im Garten des Antoniusheimes

Vroni Holzmann auf ihrer Gitarre, begleitet von einer Musikgruppe

Vroni Holzmann auf ihrer Gitarre, begleitet von einer Musikgruppe

Text + Fotos: A. Meinzinger

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